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Fort Muhl

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    “In wenig Augenblicken hatten wir das Fort erreicht. Die überraschten Vertheidiger lagen zerstreut auf dem Boden, waren ausgeplündert worden und hatten ihre Kopfhäute lassen müssen. Es gab nicht viel darüber zu sagen.” (Karl May)

Nur noch sehr “bedingt abwehrbereit” zeigt sich Fort Muhl zwischen Ebersheim und Zornheim. Nichts mehr ist übrig von einem ehedem mehrstöckigen Festungsbauwerk. Im “Ernstfall” hätten sich auf der Muhl knapp 300 pickelhaubige Vaterlandsverteidiger und vier Maschinengewehre heldenhaft dem bösen Franzmann entgegengestellt. Das vor dem ersten Weltkrieg errichtete Fort sollte Mainz und sein Umland gegen den Erbfeind schützen.

Soldatische Zeitzeugenberichte zum Alltag der Besatzung lassen sich auf die Schnelle nicht nachweisen – im Vergleich zur “Front” dürfte der Dienst hinter bis zu drei Metern starken Mauern als Druckposten willkommen gewesen sein. Heute wie damals hat wohl der rheinhessische Wind über die Höhe geweht. Windräder zur ökologisch korrekten Energieversorgung wird man vor hundert Jahren aber nicht eingeplant haben.

Gonsenheim, Pfarrer-Grimm-Anlage

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    “Napoleon fasste sich und mit ruhigem Tone sagte er mir folgende Worte, nicht minder merkwürdig als die vorigen: ‘Die Franzosen können sich nicht über mich beklagen; um sie zu schonen, habe ich die Deutschen und die Polen geopfert. Ich habe in dem Feldzug von Moskau dreimalhunderttausend Mann verloren, es waren nicht mehr als dreißigtausend Franzosen darunter.'” (Metternich, über eine Konversation mit Napoleon I.)

Den Napoleonstein in der Pfarrer-Grimm-Anlage haben die Überlebenden der napoleonischen Zeit 1839 als Memorial für ihre gefallenen Kameraden errichtet. Von den 40 bis 50 sehr wahrscheinlich gegen ihren Willen eingezogenen Gonsenheimern überlebten elf ihre Zeit in der “Grande Armee” nicht.

Das hat die positive Einstellung der Gonsenheimer zum Korsen nicht nachhaltig verschlechtert. Nach einem opulenten Truppenmanöver am Großen Sand am 30. September 1804 in Gegenwart Napoleons und seiner Gattin Josephine hatte sich in der Gemeinde schon ein Napoleon-Verein gegründet.

Gonsenheimer Bauern und Bürgertum gehörten auch zu den Profiteuren der französischen Besetzung Rheinhessens zwischen 1792 und 1814 und der Errichtung des Département du Mont-Tonnerre. Der Code Civil hatte sie rechtlich Adel und Klerus gleichgestellt. Im Rahmen der Säkularisation erklärte die französische Departementsverwaltung früheres Mainzer Kirchengut zu Nationaleigentum und brachte es natürlich auf den Grundstücksmarkt. Aus Untertanen wurden Landbesitzer.

Große Bleiche 18-20 / Haus “Lit. D 292”

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    “Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen.” (William Faulkner)

Mit dem Titel “Medienstadt” prahlt der Mainzer gerne. Dass die Stadt in der “guten alten Zeit” auch als Metropole der Medienkontrolle in die Annalen der Kommunikationsgeschichte Eingang fand, ist weniger bekannt.

In der Bundesfestung Mainz residierte ab 1819 mit der “Central-Untersuchungs-Commission” die erste bundesstaatliche Überwachungsbehörde (unter anderem für Medieninhalte) auf deutschem Boden.

PRISM in der Biedermeieridylle (auf diesen Zusammenhang hat jetzt Don Alphonso hingewiesen). Die Mainzer Zentralkommission wurde im Rahmen der Karlsbader Beschlüsse mit “Beschluß betreffend die Bestellung einer Centralbehörde zur nähern Untersuchung der in mehreren Bundesstaaten entdeckten revolutionären Umtriebe” am 20. September 1819 ins Leben gerufen.

Zweck war die “gemeinschaftliche, möglichst gründliche und umfassende Untersuchung und Feststellung des Thatbestandes, des Urprungs und der mannigfachen Verzweigungen der gegen die bestehende Verfassung und innere Ruhe, sowohl des ganzen Bundes, als einzelner Bundesstaaten, gerichteten revolutionären Umtriebe und demagogischen Verbindungen, von welchen nähere oder entferntere Indicien bereits vorliegen, oder sich in dem Laufe der Untersuchung ergeben möchten.”

Ihren Dienstsitz hatten die Mainzer Nachrichtendienstler  (zumindest 1825) in der Großen Bleiche. Für dieses Jahr weist das Adressbuch dort im Haus “Lit. D 292” die “Central=Untersuchungs=Commission” nach. Heute steht dort unter der Hausnummer 18-20 ein nüchternes Bürogebäude.

Ob die Kommissionsschergen damals ihren Observations- und Sanktionspflichten auch 24/7 oblagen und zum Beispiel Pferdedroschken mit ähnlichen Verbotsschildern von ihrer Ausfahrt wegscheuchten, kann nicht mehr ermittelt werden.

 

Bastion Alexander

Das Foto zeigt einen verwitterten Wappenstein im Mauerwerk der Bastion Alexander

    “Der Stein hätte auch mancherlei antworten können, wenn Steine Zungen hätten. Es haftet ein gut Stück Geschichte an solch verwittertem Gebild. Was lehrt es? Daß der Menschen Geschlechter kommen und zergehen wie die Blätter, die der Frühling bringt und der Herbst verweht, und daß ihr Denken und Tun nur eine Spanne weit reicht; dann kommen andere und reden in andern Zungen und schaffen in andern Formen.” (Viktor von Scheffel)

Kästrich

Das Bild zeigt den einen Gedenkstein zur Erinnerung an die Explosion des Pulverturms am 18. November 1857 als Scheitelstein eines Torbogens am Köstrich

    “Feuerjo! Feurjo! durch die ganze Stadt – Geheul, – Geschrei – Gepolter – fangen an die Brandglocken zu brummen, knallt der Pulverturm in die Luft, als wär die Erde mitten entzweigeborsten, und der Himmel zerplatzt und die Hölle zehntausend Klafter tiefer versunken.” (Friedrich Schiller)

Gutenberg-Museum

Das Bild zeigt einen Ausschnitt vom Modell des frühneuzeitlichen Mainz zur Zeit Gutenbergs

    “… das Stapelrecht zwingt alle durchziehenden Kaufleute, in der Stadt ihre Waren feilzuhalten, was, da der Magistrat das Recht hat, die Preise zu bestimmen, schon ein wenig an Straßenraub grenzt.” (Egon Friedell)

Kreative Fiskal- und Handelspolitik gab es zu allen Zeiten. Nach dem Stapelrecht oder Stapelzwang waren Kaufleute bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts verpflichtet, ihre Waren beim Passieren einer Stadt abzuladen – zu stapeln – und eine bestimmte Zeit zum Verkauf anzubieten. Geregelt waren zudem die Mengen, die Händler zu bestimmten Preisen abgeben mussten. Mainz als Knotenpunkt des Warentransports auf dem Land- und Wasserweg ließ sich dieses Recht im Mittelalter und in der frühen Neuzeit in diversen Königsurkunden wiederholt bestätigen und wusste es höchst vorteilhaft auszuüben. Zu diesem Zweck wurden Kräne zum Entladen der Lastkähne aufgestellt und das Brand-Kaufhaus in Ufernähe errichtet.