- “Nirgends kann man den Grad der Kultur einer Stadt und überhaupt den Geist ihres herrschenden Geschmacks schneller und doch zugleich richtiger kennen lernen, als in den Lesebibliotheken.” (Heinrich von Kleist, 1800)
Nach kurzer Schließung wegen Renovierung ist die “Offene Bibliothek” am Feldbergplatz wieder zugänglich. Und die Öffnungszeiten wurden – selten genug für eine öffentliche Einrichtung im Kultursektor – nicht reduziert. 24/7 – “twentyfourseven” – also rund um die Uhr lassen sich hier Bücher ausleihen – ohne Leseausweis oder Säumnisgebühren.
Der “Bücherkasten” wurde 1994 als soziale Skulptur in einem ausgedienten Stromverteiler der Stadtwerke eingerichtet. Lange bevor das Internet Bookcrossing populär machte, konnten Bibliophile ihre Bücher im öffentlichen Raum bereitstellen und in Umlauf bringen. Literatur von jedermann für jedermann.
Zugänge richten sich freilich nicht nach den Anschaffungswünschen des Publikums. Neuerscheinungen sind rar. Etwa 400 Bücher mögen es sein, die sich auf sechs Regale verteilen. Die thematische Palette ist groß: Ehemalige Bestseller, ausgediente Studienliteratur, müffelige Schwarten aus Haushaltsauflösungen. Eine Systematik oder einen Katalog wird der Benutzer allerdings vergeblich suchen. Wer den Bücherkasten bestücken will, stellt das Buch nach Lust und Laune ein – wo sich gerade eine Lücke auftut. Ehrenamtliche Betreuer haben die Regalpflege übernommen und ordnen die Bücher gelegentlich nach Größe und Forma. Trouvaillen sind selten, hier ein Insel-Büchlein, dort ein rororo-Taschenbuch mit Werbung für Pfandbriefe und Zigaretten. Wer sich auf einem Zufallsfund einlassen will, stößt zuweilen doch auf ein literarisches Kleinod, das ihm in einer Öffentlichen Bibliothek niemals begegnet wäre.
Ein Kinder-Bücherkasten wartet bei der Volkshochschule auf Leser und Leserinnen. Weitere “Offene Bibliotheken” hat man in Vororten eingerichtet: In Bretzenheim an der Endhaltestelle der Straßenbahn und in der Berliner Siedlung am Fuße der ehemaligen Schwesterwohnheime.