“Bank der Termine”, Stresemannufer

“Bank der Termine”, Stresemannufer

    “Übrigens sind Sie mit keinem Termine genirt. Arbeiten Sie mit Muse, ich dencke indes an etwas neues.” (Goethe, in einem Brief von 1785)

Parkbank am Stresemannufer; Haftnotizen wie Schmetterlinge, die in der Abendsonne ausruhen. Normalerweise stacheln Post-Its im persönlichen Zeitplan herum, Imperative für Aufgaben und Verabredungen, zu denen man sich in unbedachten Momenten committet hat.

“10:30 Zahnarzt!” “Blumenstrauß für Mutti besorgen!” Ob endorphinentrückter Jogger beim Marathontraining oder prokrastinierender Jungakademiker auf dem Weg zur Grillwiese am Winterhafen: jeder pflegt sein persönliches Arbeitsumfeld in Büro oder Studierstübchen mit dergleichen Memos zuzupflastern.

Momentan jedoch flattern die Gedächtnisstützen auf einer Ruhebank in der Mähe der Malakoff-Terrasse. Für eine Urban-Art-Lehrveranstaltung der Kunsthochschule Mainzer haben zwei Studentinnen das öffentliche Sitzmöbel in eine “Bank der Termine” umgewidmet.

“Folien schicken!” “Nochmal anrufen!” Was sonst Tasks durchpriorisiert, Timelines matcht oder den Workflow updatet, wirkt auf der Parkbank wie weggeworfene Einkaufszettel im Supermarkt: quasivoyeuristische Einblicke in das ebenso belanglose Leben der Anderen.